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#61 - lieber Sand drüber, als Steine

18.07.2025 66 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ihr Vater, ein lustiger Mensch und Musikliebhaber, fällt in Stalingrad; ihre Mutter begibt sich von Danzig aus mit drei Kindern auf die Flucht. Meine Gästin erlebt in einem Güterwaggon, wie ein ihr unbekannter Mitflüchtling direkt neben ihr verstirbt; Fluchterfahrungen, die sie beeinflussten, später beruflich alten und kranken Menschen zu helfen. Sie berichtet von der Zeit in Lingen, auf einem Bauernhof, vor allem die Mutter musste schwer arbeiten, den kleinen Bruder versuchten die Schwestern zu erziehen, aber meine Gesprächspartnerin spricht von einer schönen Zeit: Tanzen lernt sie auf dem Bauernhof mit anderen Jugendlichen; ihren Mann lernt sie beim Tanzen kennen; Musik und Tanzen, das sei ihr Ein und Alles – ihr Mann ist da zurückhaltender, lässt ihr aber den Freiraum; sie berichtet Erlebnisse, die mit ihrer Freude am Singen zusammenhängen; von ihrem Beruf als staatlich geprüfte Krankenschwester; vom Autofahren, das sie vermisst, von Urlauben, ihren Kindern; davon wie sie eine Zeit lang als alleinerziehende Mutter in den frühen 60ern klar kam. Sie erzählt von den vielen Menschen in ihrem Umfeld, die bereits verstorben sind.

Unser Gespräch fand am Montag, 23.6.25 um 10 Uhr statt; die Tageszeitung vermeldet: US-Bomben auf Iran – Sorge vor Eskalation
 
Das Lied kam mir irgendwie bekannt vor, aber den Text musste ich doch noch mal googlen:
 
 
 
 
Rückmeldungen sind möglich unter:
 

Transkript

Lüneburg gebracht. Dann konnte ich nicht hinterher fahren, ja dann wurde ich immer über, fordert, sage ich mal, weil ich nicht weiß, wo ist er denn. Aber das war eine, ob das irgendwie vom Schwager aus war, ich weiß es nicht genau, aber ich will ja auch nicht nachforschen. Er ist tot und und das kann ich nicht mehr ändern.
Interviewer
01:00:28
Also nach Lüneburg, das verstehe ich noch, war er da im Krankenhaus oder wie kam das?
Bewohnerin
01:00:32
Ja, er war da
Interviewer
01:00:34
Ja?
Bewohnerin
01:00:34
in Lüneburg und da ist er, ist ihm schlecht geworden, also ins Krankenhaus gebracht worden. Und da haben Sie ihm dann gleich operiert, weil es war nicht schön , war aber Magenkrebs.
Interviewer
01:00:48
Haben Sie, aber dann einige, Sie hatten auch schon erzählt, Ihre Mutter mit ihrer Herzerkrankung in den 70er Jahren hätten Sie begleitet. Da haben Sie auch einige Menschen so begleitet, denen es nicht gut ging, letztendlich beim Sterben begleitet.
Bewohnerin
01:01:03
Nee, also beim Sterben war meine Mutter eigentlich alleine. Im
Interviewer
01:01:10
entscheidenden
Bewohnerin
01:01:10
Ja,
Interviewer
01:01:11
Moment, ja.
Bewohnerin
01:01:11
die hat gefrühstückt, die wohnte Velberter Straße 8, da wohnte die Mutti und die hatte gefrühstückt und hatte Fenster aufgemacht und hatte Tisch, Tisch abgeräumt, Frühstückstisch. Und dann hat sie den Küche gebracht und war so eine
Interviewer
01:01:34
in die
Bewohnerin
01:01:34
Schiebetür drin. Und da hat sie den gerufen, die Nachbarin, so komm doch mal rein, die hatten den Schlüssel. Ja, dann kam sie rein, da lag meine Mutter tot.
Interviewer
01:01:51
Ja, das ist
Bewohnerin
01:01:53
Schicksal.
Interviewer
01:01:54
Ja, manche Leute erwischt das eben so,
Bewohnerin
01:01:56
Ja,
Interviewer
01:01:56
ne. Ja, das ist...
Bewohnerin
01:01:56
ja.
Interviewer
01:01:57
Sie
Bewohnerin
01:01:58
Die hat sich da immer gewünscht und tot. Und das habe ich gesagt, hat sie den wenigstens. Dann habe ich gesagt, wir sind immer bei Mutti, immer da. Dann sagt er liebe Frau, ich bin Arzt. Ich könnte daneben stehen, ich könnte gar nichts machen Die hat so einen starken Herzinfarkt, ich hätte sie auch nicht retten können.
Interviewer
01:02:19
Ja.
Bewohnerin
01:02:19
Trösten sie sich damit Na ja dann war das schon besser für mich. Ja, und mein Mann ist tot, mein Bruder ist tot, meine Schwägerin ist tot, meine Schwester ist tot, meine Mutter ist tot, mein Schwager ist tot. Und das ist so schwer, wenn es ihnen schlecht geht, damit wenn keiner ist der helfen kann, der ihnen noch zuhört oder so.
Interviewer
01:02:47
Ja, weil Kinder ist letztendlich eine andere Generation, ne. Das ist, das ist, ja.
Bewohnerin
01:02:53
Ich würde ihnen doch gar nicht so eine Geschichte erzählen wollen. Wenn sie fragen würden, ja. Aber jetzt erzählen würde ich das wirklich machen. Die haben ihr eigenes Leben. Das sollen sie leben. Das machen wir noch richtig. Die werden doch selbst genug arbeiten müssen, bis sie ihr Leben mal meistern.
Interviewer
01:03:16
Ja.
Bewohnerin
01:03:16
Ja,das ist nun mal so. Das
Interviewer
01:03:18
Hm.
Bewohnerin
01:03:19
kann man nicht ändern. Es ist vieles, was man hinterher, wenn man älter ist, durch den Kopf geht.
Interviewer
01:03:27
Ja.
Bewohnerin
01:03:27
Es ist vieles, aber man ändert es nicht mehr.
Interviewer
01:03:31
Nein, aber trotzdem, manche Sachen wälzt man so rum.
Bewohnerin
01:03:35
Ja.
Interviewer
01:03:37
Gibt es denn Dinge, wo Sie sagen, das würde ich gerne ändern, wenn ich das könnte?
Bewohnerin
01:03:43
Ja, wo würde .
Interviewer
01:03:46
Also, wo Sie sich zum Beispiel ärgern, warum habe ich das nicht gemacht,
Bewohnerin
01:03:49
Ja,
Interviewer
01:03:49
oder? Ja,
Bewohnerin
01:03:49
ja.
Interviewer
01:03:49
ja, ja. Ja? Ich
Bewohnerin
01:03:50
verstehe Sie schon.
Interviewer
01:03:51
Ja?
Bewohnerin
01:03:54
Also, mit Sicherheit. Aber ich weiß jetzt nicht, was das so war jetzt. Aber mit Sicherheit habe ich solche Dinge. Die gucke ich jetzt nicht drauf.
Interviewer
01:04:05
Ja, ja, ja. Wenn Sie sich was wünschen könnten, Sie könnten jetzt, können sich jetzt irgendwas wünschen,
Bewohnerin
01:04:10
Ja? Ja?
Interviewer
01:04:12
realistisch oder nicht, würde Ihnen da was einfallen? Ich würde gerne nochmal, würde Ihnen da was einfallen?
Bewohnerin
01:04:19
Ja, ich möchte gerne nochmal so jung sein und so tanzen gehen können und das möchte ich so gerne, aber das kann ich körperlich nicht mehr.
Interviewer
01:04:31
Ja, ja, also einfach ins Auto und zum Tanzen.
Bewohnerin
01:04:35
Ja.
Interviewer
01:04:36
Gut, ah.
Bewohnerin
01:04:37
Das kann ich
Interviewer
01:04:37
Das
Bewohnerin
01:04:37
körperlich nicht mehr. Einen richtigen Partner haben, zum Tanzen, das wäre so mein Ding.
Interviewer
01:04:45
Mhm.
Bewohnerin
01:04:45
Dann würde mein Mann schon sagen, Schätzchen träum was anderes ,
Interviewer
01:04:52
dann muss ich noch einmal wissen, einen richtigen Partner haben Sie jetzt erwähnt, das ist natürlich auch, Sie konnten gut tanzen, also brauchten Sie auch jemanden, der gut tanzen
Bewohnerin
01:05:00
Aha,
Interviewer
01:05:00
kann, also als Partner. Würde Ihnen da, wer war, also würde Ihnen da jetzt noch jemand einfallen, der, mit dem Sie besonders gut harmoniert haben?
Bewohnerin
01:05:07
Ja, ein Arbeitskollege.
Interviewer
01:05:09
Ein Arbeitskollege,
Bewohnerin
01:05:10
Ja, ja.
Interviewer
01:05:10
ja?
Bewohnerin
01:05:11
Das passte wie ein Arsch auf Eimer Ja der war gut. Er ist auch schon tot jetzt.
Interviewer
01:05:24
Ja, Frau Hinz, nehmen Sie ruhig noch einen Schluck.
Bewohnerin
01:05:26
Hier. Dankeschön, war sehr nett mit Ihnen.
Interviewer
01:05:36
Und ich bedanke mich vielmals.
Bewohnerin
01:05:37
Ja, gerne geschehen.
Interviewer
01:05:41
Ja, ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht. Feedback wäre in jedem Fall möglich auf ruhrtal. letscast. fm Alles klein geschrieben. Und es würde mich natürlich freuen, wenn ihr mal wieder reinhört. Bis dann.